“Alte Brücker Post” im Wandel

Die Alte Brücker Post hatte am Sonntag zum Tag der offenen Tür eingeladen. Wer kam, der konnte eine Oase des Friedens und der Kreativität entdecken. Eigentlich sind es gleich mehrere Oasen. Zu den bekannten Räumen im Gebäude an der Ernst-Thälmann-Straße sind lauschige Höfe, ein großer Saal, ein Schulungsraum und so einiges mehr gekommen. Nach und nach ist in den alten Gebäuden mit Liebe zum Detail und mit Engagement vieler Menschen und Unternehmen ein wahres Schmuckstück entstanden. Ricarda Müller kommt nicht zufällig im Gespräch sofort auf die vielen Unterstützer zu sprechen: „Allein hätten wir das nicht schaffen können.“ Sie verweist auf die Firmen verschiedener Gewerke, die mitunter Leistungen nahe am Materialpreis erbringen, auf die Künstlerin, die zehn Prozent der Verkaufserlöse ihrer Bilder zur Verfügung stellt, oder auf Menschen, die mitdenken, wenn es in den alten Gebäuden unkonventionelle Lösungen braucht. „Es gibt immer eine Lösung“, ist sich Müller inzwischen absolut sicher. So sind zum Beispiel die neuen Toiletten im alten Tierstall ein wahrer Hingucker geworden. Praktisch veranlagt bittet Müller gleich: „Schreiben Sie unbedingt, dass wir noch alte Brettertüren für die Männertoilette brauchen. Vielleicht hat ja ein Leser noch welche übrig.“

Artikel in der BRAWO

Passend zum Tag der offenen Tür läuft seit einer Woche die Ausstellung „Wandel zwischen Wollen und Sein“ der Potsdamer Kunsttherapeutin Christina Sustersic. Zu sehen ist auf Fotos das kreative Arbeiten mit Masken für und mit Ehrenamtlichen im Elisabeth Hospizdienst. Einige Masken entstanden in der Alten Brücker Post selbst. Wer Sterbende begleitet, der muss seine eigenen Emotionen, seinen Körper und seine Handlungsabläufe gut kennen. „Was ist in mir?“, ist daher für Sustersic eine der wichtigsten Fragen, bei deren Beantwortung das Herstellen von Masken und das Spiel mit ihnen helfen können. Hinter der Maske lernt man loszulassen und seinem Bauch und seinen Hände zu vertrauen. Nicht nur für die Zuschauer macht die Maske den anderen Menschen, sondern der Träger einer Maske verändert sich beim Spiel selbst. „Wenn man die Maske abnimmt, ist man für einen Augenblick noch ganz vom Spiel mit der Maske geprägt und sehr verletzlich. Deshalb hebt man eine Maske niemals unmittelbar vor einem Publikum ab“, erklärt Sustersic.

Fuehrung durch das Haus

Wandel ist nicht nur für die aktuelle Ausstellung ein gutes Motto, sondern auch für die Alte Brücker Post selbst. Zum Tag der offenen Tür präsentiert sich das Seminar-, Kultur- und Gästehaus als Institution im Übergang. Noch wird das Haus wie bisher privat durch Ricarda Müller und Annie Tilmant geführt. Zunehmend aber soll der im April gegründete Verein „Mensch SEIN“ Träger von Veranstaltungen werden. „Jetzt ist der Verein so weit, dass die Arbeit beginnen kann“, erklärt Tilmant und ergänzt: „Erste Projekte sind konzipiert und beantragt.“ Im Kern wird das Profil der Alten Brücker Post dasselbe wie bisher bleiben, nur die Trägerschaft verändert sich. „Das war ein Prozeß, aber jetzt passen Organisation und Inhalt gut zueinander“

Bildung ist für Müller, Tilmant und die anderen Gründungsmitglieder der Schlüssel zu einem friedlicheren Zusammenleben. Sie alle engagieren sich für Vielfalt, für Abbau von Diskriminierung jeglicher Art und für die Einhaltung der Menschenrechte. So war der Zustrom von Flüchtlingen ein wichtiger Impuls für die Gründung des Vereins. Doch dem Verein geht es nicht allein um Integration, sondern um Austausch, nicht allein um Flüchtlinge, sondern um uns alle. „Jeder Mensch sollte mehr über den anderen erfahren. So lassen sich Ängste abbauen. Es geht um unser aller friedliches Miteinander“, so Müller und Tilmant. Der Weg führt für sie über Bildung, Kultur, Gesundheit und Religion. Dabei soll es nicht nur Ausstellungen, Veranstaltungen und Tagungen geben, sondern der Verein will sich in entsprechende Netzwerk einbringen und selbst welche knüpfen. Dem Planestädtchen Brück bleibt zu wünschen, dass es noch mehr als bisher die seit dem Jahr 2000 geschaffene Oase entdeckt und für sich nutzt.

Artikel in der MAZ