Erster Kunstbummel in Bad Belzig

Rani B. Knobel hatte die Idee. Als die Malerin im Mai letzten Jahres an der Aktion „Offene Gärten“ teilnahm, war sie überwältigt von der Resonanz. Seitdem plagte sie die Frage, ob das nicht auch auf die Kunst übertragbar wäre: „Für einen Künstler kommen die Leute nicht so schnell nach Bad Belzig, aber vielleicht für mehrere?“ Sie besprach sich zunächst mit Gerlinde Kempendorff vom KleinKunstWerk, und als die begeistert war, wurden weitere Künstler und Einrichtungen ins Boot geholt, darunter die SteinTherme. Am letzten Wochenende luden schließlich insgesamt sieben Stationen Kunst- und Kulturinteressierte zu einem Bummel durch Bad Belzig ein.

Die Künstlerin Knobel empfängt die Besucher gemeinsam mit ihrem Partner Anando Arnold im „Atelier im Kunsthof“ in der Niemegker Straße 1 in Bad Belzig. Ganz früher war hier ein Stall und ab 1960 eine Motoradwerkstatt. Die wurde mit der Wende geschlossen, danach standen die Gebäude leer. „Wir haben das Grundstück ganz dornröschenmäßig wachgeküsst“, erzählen die beiden Künstler, die es 2009 aus Ibiza in den Fläming verschlagen hat: „Uns geht es hier besser. Der Fläming ist einfach schön.“

Rani B. Knobel, Anando Arnold
Rani B. Knobel & Anando Arnold

Die ehemalige Motoradwerkstatt haben sie sich „gerecht geteilt“. In der vorderen Hälfte residiert Knobel mit ihrer Werkstatt und ihren Bildern. Seit dem letzten Jahr arbeitet sie an einer Großserie zur Erforschung von Zeit und Raum: „Mich reizt der Kontrast zwischen sehr kompakten, konzentrierten Formen und ihrer Ausbreitung und Weitung.“ Wer will, kann sich in den pastellfarbenen Abstraktionen regelrecht hineinträumen.

Im hinteren Teil der Werkstatt zeigt Arnold auf ein in dunklen Farben gemalte Portrait einer Frau, deren Kopf  von Rissen zerstört wird. Ein Sinnbild für den Tod. Noch ist ihre Schönheit zu erkennen, während sich der Tod langsam manifestiert. Der Hintergrund ist bunt, das Leben geht weiter. Daneben ein Bild bunter Farben auf schwarzem Grund, das wie das Wärmebild eines liegenden, weiblichen Aktes anmutet. Arnold demonstriert seine kinetischen Objekte, zum Beispiel „Man and Nature“, ein Kopf mit viel Grün und vielen Figuren. Auf Knopfdruck „passiert etwas“, immer wieder etwas anderes. Ein anderes kinetisches Objekt ist „The Mind“ (der Verstand). Dem Gehirn dieses Kopfes kann man regelrecht beim Denken zusehen. Kleine Lämpchen blinken wild durcheinander. Am Ende werden die Ideen in Form von tanzenden Tischtennisbällen geboren.

Probe zu „Der Sturm“
Probe zu „Der Sturm“

Andere Station des ersten Belziger Kunstbummels sind zum Beispiel das Atelier von Christine Baumann und das KleinKunstWerk. Im letzteren findet am Freitag Abend das Eröffnungskonzert mit Uschi Brünning und E.L. Petrowsky statt. Am Sonnabend probt und spielt das Potsdamer Integrationstheater das Shakespeare-Stück „Der Sturm“. Die Schauspieler sind Studenten und Migranten und kommen aus neun Ländern. Sie wollen beweisen, dass die Sprache der Kunst die Unterschiede an Nationalität, Sprache und kulturellem Hintergrund überwinden kann. Besucher sind herzlich eingeladen, bei der Probe zuzuschauen. Am Sonntag demonstriert der Gewinner der Bachstelze 2016, Archie Clapp, sein Können.

Christa Sporreiter ist extra für den Kunstbummel aus Berlin angereist. Sie hatte in der  SteinTherme einen Flyer entdeckt und ist jetzt begeistert, auch wenn sie die Führung im Brandenburgischen Orgelmuseum knapp verpasst hat: „Im nächsten Jahr komme ich wieder.“ Noch ist das keine Massenbewegung, aber auch kein Einzelfall, wie Kempendorff, die Chefin des KleinKunstWerkes, erzählt: „Gestern waren Leute hier, die sind extra wegen des Kunstbummels für drei Tage nach Bad Belzig gekommen.“ Andererseits ist Kempendorff stolz darauf, dass sich das anfängliche Verhältnis der Besucher des KunstKraftWerks von zwanzig Prozent aus dem Fläming und achtzig Prozent aus Berlin inzwischen umgekehrt hat.

Hoch über Bad Belzig auf der anderen Seite der Bahnstrecke wartet das Roger Loewig Museum, eine weitere Station des Kunstbummels. Vom Museum aus hat einen wunderbaren, viele sagen den tollsten Blick über die Kurstadt. Im Garten wird man von wunderbaren bunten und farbenfrohen sowie von klaren, geometrischen Quilts empfangen. Geschaffen hat sie Karola Rose aus Wiesenburg. An einigen der Unikate hat sie drei Jahre gearbeitet. Kaufen kann man sie nicht, höchstens geschenkt bekommen.

Die farbigen Quilts bilden einen wunderbaren, fast notwendigen Kontrast zu der Ausstellung in dem zugehörigen Haus. Die im „Schweizerhaus“ befindliche Gedenkstätte lässt das Leben und das Werk von Roger Loewig (1930-1997) lebendig werden. Biografie und Schaffen sind geprägt von der tragischen deutschen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg. Eine Ausstellung von Bildern, in denen er sich mit dem Bau der Mauer auseinandersetzte, brachte ihn in Konflikt mit dem Staat DDR. Loewig durfte nicht länger als Lehrer arbeiten. Er wurde verhaftet und bespitzelt. 1972 reiste er nach West-Berlins aus.

Besonders eindrucksvoll kann der frühere Eigentümer des Hauses und Freund Loewigs, Wolfgang Woizick, die damalige Zeit lebendig werden lassen und die Vita und die Bilder und Texte Loewigs vermitteln. Als Woizick anlässlich des Kunstbummels mit nachdenklicher, stockender Stimme über die Entstehungsgeschichte einzelner Bilder und Gedichte erzählt, kann sich kaum einer der Zuhörer dem Sog der Geschichte und der Kunst entziehen. Die Anklage der Verhältnisse und die Verbundenheit mit der Natur, Loewigs sensible, fast poesievolle Auseinandersetzung mit den Geschehnissen lassen innehalten. In einem Selbstporträt Loewigs treffen die Traurigkeit in dem einen Auge und die Wut und die Kampfeslust in dem anderen Auge auf einem Bild zusammen.

Woizick hat für die DEFA Filmdialoge geschrieben. Viele kennen den berühmten Ausspruch der Olsen-Bande „Mächtig gewaltig, Egon“. Er stammt vom Woizick. Da passt es gut, das parallel zum Kunstbummel auf der nahen Burg Eisenhardt der zweite Fläming-Coup gespielt wird.

Der Bad Belziger Bürgermeister, Roland Leisegang, hat selbst am Eröffnungskonzert mit Uschi Brünning und E.L. Petrowsky teilgenommen und verschiedene Stationen des Kunstbummels besucht. Für ihn ist die Idee eine gute Erweiterung und Bereicherung für die Stadt: „Der Kunstbummel bietet eine gute Gelegenheit, Kultur und Kunst mehr Präsenz im Alltag zu verschaffen.“