Der Landesbischof aus Württemberg in Garrey auf Luthers Spuren
„Garrey wird in Württemberg immer berühmter“, meinte der württembergische Landesbischof Frank Otfried July am Mittwoch Abend in Garrey in der kleinen Pension „Zum Weißen Raben“ von Gabi Eissenberger. July ist nach Martin Luther der höchste kirchliche Würdenträger, der Garrey je besuchte. Luther selbst war vor fast fünfhundert Jahren, genauer am 7. August 1532 nachweislich in dem kleinen Flämingdorf. Luther ist auch der Anlass für den aktuellen kirchlichen Besuch. Die Schwaben haben sich nämlich Garrey als Hauptquartier für ihre Präsenz zur Weltausstellung Reformation im nahen Wittenberg ausgesucht. Die Weltausstellung Reformation ist eine Open-Air-Ausstellung, die sich durch die ganz Lutherstadt Wittenberg zieht. Dort sind sie mit einer eigenen Halle präsent.
Durchschnittlich wohnen während dieser Zeit ein Dutzend Württembergische Kirchenleute in Garrey, zum Teil im „Weißen Raben“, zum anderen Teil im „Gasthof, Pension & Eiscafé Joachim Lehmann“. Jürgen Kaiser vom Evangelischen Medienhaus hat die Organisation übernommen und schätzt nicht nur die „bezahlbare Unterkunft“, sondern auch die Atmosphäre in Garrey: „Unsere Schwaben-WG wird hier sehr freundlich aufgenommen. Dafür wollen wir uns bedanken.“ Deshalb berichtet man gern im Süden der Republik über das kleine Garrey. Zum Dank wird am 6. August der Landesbischof in der gerade liebevoll restaurierten Garreyer Kirche predigen. Er hat dafür extra seinen Aufenthalt verlängert. Auch am 9. September zum Ende der Weltausstellung und anlässlich des Garreyer Dorffestes soll es eine von den Schwaben veranstaltete Predigt geben. Zum Dank lud man am Mittwoch auch zu einer Gesprächsrunde unter dem Motto „Was sie schon immer einen Bischof fragen wollten“. Ungefähr dreißig Menschen wollten den Bischoff befragen, davon vielleicht die Hälfte aus dessen Heimat.
Zu erfahren gab es Interessantes über die württembergische Kirche. Sie hat stolze 2,1 Mio. Mitglieder, über zweitausend Pfarrerinnen und Pfarrer und steht finanziell ganz gut da. Immerhin gibt es auf dem Gebiet des ehemaligen Königreiches Württemberg noch eine Kirchenzugehörigkeit von 75 bis 80 Prozent, die katholische Kirche eingeschlossen. Die dortige Synode wird als einzige direkt gewählt. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten mit der Situation in Brandenburg. Auch wenn es inzwischen wieder mehr Taufen gibt, so ist diese „längst nicht mehr selbstverständlich.“ Man hat auch mit dem demografischen Faktor und Kirchenaustritten zu kämpfen. Es gibt Konkurrenz durch verschiedene Freikirchen, wobei man aber „miteinander keine Berührungsängste hat“. July sieht sich selbst als Verfechter der Ökumene, und das nicht nur mit der katholischen und der orthodoxen Kirche. Die evangelische Kirche muss selbst nach neuen Formen suchen, ohne modernistisch zu werden. Selbst die Umwidmung von Kirchen zu profanen Zwecken ist im Süden Deutschlands nicht unbekannt.
Ganz nebenbei räumte July auch mit einem Fehler auf Wikipedia auf: „Der Eintrag ärgert mich schon lange.“ Anders als dort behauptet hatte er zu seiner Investitur als Landesbischof auch kirchliche Laien als Zeugen eingeladen. Ein „katholisierendes Amtsverständnis“ ließe sich allenfalls auf seine „Freude an liturgischen Formen“ beziehen. Diese sind laut July im Württembergischen allerdings weniger ausgeprägt als er es in Brandenburg erleben durfte. Der hiesige Pfarrer Daniel Geissler befand dagegen, dass hier die Zeremonien und Gesänge doch gar nicht so ausgeprägt wären. Er komme ursprünglich aus Sachsen, da wäre das noch ganz anders.
Die gekommenen Garreyer und die Württemberger haben sich so gut verstanden, dass man im Laufe des Abends überlegte, ob man nicht irgendwie dauerhaft in Kontakt bleiben könne. July schlug scherzhaft ein Pflichtprogramm für die Mitglieder seiner Kirche vor: „Jeder der nach Wittenberg fährt, der muss auch nach Garrey fahren.“ Oder man mache Garrey zur Württembergischen Enklave. Auf jeden Fall will man die entstandene Freundschaft pflegen und über die private Situation hinaus entwickeln.
Höhepunkt des Abends war sicher die Enthüllung einer Tafel an der Pension „Zum weißen Raben“ durch July. Der Eigentümerin der Pension, Gabi Eissenberger, war es gelungen nachzuweisen, dass Luther tatsächlich in dem Gasthaus gewesen war, das bis zum 30jährigen Krieg an derselben Stelle gestanden hat. Das kann man jetzt der Tafel entnehmen, außerdem den Hinweis: „Für mehr Infos bitte klingeln.“