Beim Entstehen einer neuen Biografie zusehen

Das ist möglich – bei einer neuen, auf drei Bände angelegten Biografie von Karl Marx mit dem Titel

KARL MARX UND DIE GEBURT DER MODERNEN GESELLSCHAFT.

Der Autor Michael Heinrich hat sich vorgenommen “erstmals Leben und Werkentwicklung umfassend in ihrem Zusammenhang” darzustellen. Die einzelnen Bände sollen 2018, 2020 und 2022 erscheinen.

Mich interessiert neben Person und Werk vor allem das Herangehen von Heinrich an diese Biografie. Erfreulicherweise hat er eine Webseite marx-biografie.de eingerichtet, auf er dazu Auskunft gibt. Zum Konzept seiner Biografie schreibt er beispielsweise:

Die neue Marx-Biografie beschränkt sich nicht auf den Marx’schen Lebensweg. Sie nimmt Leben und Werk gleichermaßen in den Blick. Der Zusammenhang von Leben und Werkentwicklung wird auf der Grundlage aller verfügbaren Quellen untersucht.

Man findet auf der Webseite ebenso Heinrichs Kernthese als auch das Exposé zum Vorhaben.

Unter Aktuelles erfährt man bisher vor allem etwas über geplante Übersetzungen und Interviews. Man darf gespannt sein, ob es auch etwas Fortschritte und Probleme beim Schreiben zu erfahren geben wird.

In einem Interview erfährt bereits jetzt manches über die Heinrichs Herangehensweise an die Biografie:

“Aber irgendwie hat mich dieses Projekt einer Marx-Biografie immer mehr gepackt und je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr habe ich auch gemerkt, wie unzureichend die vorliegenden Marx-Biografien sind. Es gibt nicht nur eine Vielzahl sachlicher Fehler, häufig wird das Material so ausgewählt, dass damit ein bereits vorhandenes Marx-Bild gestützt wird. Beim Lesen hatte ich oft den Eindruck, es soll nicht etwas erforscht werden, es soll lediglich etwas bestätigt werden. Da versuche ich offener ranzugehen und auch genau zu unterscheiden, was ist durch Quellen belegt und was ist nur eine mehr oder weniger plausible Vermutung. Bereits in dieser Hinsicht sind viele Biografien recht fragwürdig, Spekulationen des Autors werden häufig als Tatsache präsentiert, mit Quellen wird unkritisch umgegangen, nicht selten werden sie nicht mal genau angegeben.

Die allermeisten Marx-Biografien sind aber noch in anderer Weise unzulänglich: Leben und Werk werden weitgehend voneinander getrennt.”

An anderer Stelle heißt es:

“In vielen Biografien steht einzig die porträtierte Person im Mittelpunkt, die alles andere überstrahlt. Das kann dann schnell in Richtung Geniekult gehen. Aber das muss nicht so sein. Eine biographische Untersuchung muss nicht im Widerspruch zu den Einsichten der Sozialgeschichte stehen oder zu dem, was Foucault „Archäologie des Wissens“ genannt hat. Im Gegenteil, für mich macht es eigentlich nur innerhalb einer solchen Rahmung Sinn, mich mit der Rolle eines einzelnen Individuums zu beschäftigen.”

Ich bin im Zusammenhang mit meiner eigenen Tätigkeit vor allem auf diese Ankündigung gespannt:

“Um das transparent zu machen, enthält der erste Band einen Anhang über „Biographisches Schreiben“, in dem ich deutlich mache, welche Konsequenzen ich aus den verschiedenen literatur- und geschichtswissenschaftlichen Debatten über die Möglichkeiten und Grenzen von Biografien gezogen habe.”

Kleiner Nachtrag zum Artikelfoto:

Quelle: Von John Jabez Edwin Mayall – International Institute of Social History in Amsterdam, Netherlands, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=591288

Auf Wikipedia findet sich noch dieser Zusatz: “Dieses Bild zeigt ein (oder ähnelt einem) Symbol, welches von der kommunistischen Regierung der Sowjetunion, kommunistischen Regierungen anderer europäischer Länder oder mit ihnen verbundenen Organisationen verwendet wurde. Der Gebrauch dieses Symbols könnte in den Staaten Ungarn (Strafgesetzbuch 269/B.§ von 1993), Lettland, Litauen, Ukraine und Polen – abhängig vom Kontext – illegal sein.”