Gefühlte und tatsächliche Kriminalität an der Grenze

Leitender Staatsanwalt von Frankfurt/Oder, Helmut Lange, war in Borkheide zu Gast.

Die SPD Borkheide/Borkwalde hatte bei ihrem zweiten öffentlichen Kamingespräch im Hotel Fliegerheim den Leitenden Staatsanwalt von Frankfurt/Oder, Helmut Lange, zu Gast. In ruhiger, durchaus unterhaltsamer Weise informierte er über Probleme und Erfolge in der Arbeit seiner Behörde.

Staatsanwalt Helmut LangeDie nur 155 Mitarbeiter der Frankfurter Staatanwaltschaft, von denen wiederum nur 70 sogenannte Entscheider sind, also Oberstaatsanwälte, Staatsanwälte und Amtsanwälte, müssen ein gewaltiges Pensum an Arbeit erledigen. Pro Jahr schließen sie ca. 41.000 Verfahren gegen bekannte Täter und ca. 28.000 Verfahren gegen unbekannte Täter ab. Mit solchen Zahlen hatte keiner der Veranstaltungsteilnehmer gerechnet. „Das gelingt uns nur, weil wir sehr effektiv arbeiten“, erklärt Lange die Leistung. Dennoch ist die Personaldecke viel zu dünn, wie Lange immer wieder öffentlich und gegenüber dem Minister und den Abgeordneten betont. Erschwerend kommen ein Gehaltsgefälle sowie eine Überalterung der Behörde hinzu. Dazu Lange: „Nach der Wende wurden vor allem junge Menschen aus Ost und West eingestellt. Die sind jetzt halt alle 25 Jahre älter.“

Artikel in der BRAWO / Bad Belzig
Artikel in der BRAWO / Bad Belzig

Lange macht im Gespräch auch auf ein anderes Problem aufmerksam. Vor Jahrzehnten war die Kriminalität vor allem regional aufgestellt. Zum Beispiel beschränkten sich Diebe und Hehler aufgrund mangelnder Mobilität hauptsächlich auf ihr Umfeld. Danach wurden auch Polizei und Justiz organisiert. Während jedoch die Gegenseite inzwischen hochtechnisiert, mobil und international aufgestellt ist, hinken die Behörden hinterher. Immer mehr Computer und Smartphones müssen ausgewertet werden, was nur noch gelingt, indem man die eigentlich hoheitliche Aufgabe Privaten überträgt. Der in Brandenburg geklaute Sprinter wird in 800 Einzelteile zerlegt, die via Internet weltweit angeboten werden. Aus Datenschutzgründen darf die deutsche Justiz Informationen mit ausländischen Behörden nicht per E-Mail austauschen. In Polen wiederum hat man kaum noch Faxgeräte. Auf all das müssen Politik und Behörden eine Antwort finden, was mitunter schwer fällt.

Staatsanwalt Helmut Lange und Moderator Matthias StawinogaTrotzdem funktioniert die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden laut Lange inzwischen sehr gut. Deutsche Beamte dürfen Kriminelle nach einem Grenzübertritt auf polnischem Gebiet weiter verfolgen, „mit Uniform und Waffe“. Umgekehrt natürlich ebenso. Nur die Festnahme bleibt der jeweiligen Landesbehörde überlassen. In viele Fällen ließe sich die Arbeit weiter vereinfachen. „Ich wünsche mir, dass die unteren Ebenen Absprachen mehr direkt und weniger über behördliche Hühnerleitern treffen können“, so Lange.

Ein Schwerpunkt der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist natürlich die grenzüberschreitende Schwerkriminalität. Eine wesentliche Ursache ist das immer noch vorhandene Wohlstandsgefälle zu Polen, zur Ukraine, zu Rußland und zum Baltikum. Neben Autos werden gern Sonnenpaneele, dazugehörige teure Wechselrichter, Edelmetalle, Fahrräder und Landmaschinen „mitgenommen“. Auch Zuchttiere sind gefragt. Die Herde gilt als willkommener Beifang. Geklaut wird ganz marktwirtschaftlich. Die Nachfrage bestimmt.

Staatsanwalt Helmut LangeLange geht auch auf ein anderes Phänomen ein. Entgegen der gefühlten Sicherheitslage hat sich die tatsächliche Situation verbessert. Gab es auf dem Höhepunkt 1994 im Land Brandenburg 220.000 abgeschlossene Verfahren gegen bekannte Straftäter, so sind es inzwischen 151.000. Als Gründe dafür führt Lange die erfolgte Einarbeitung der Mitarbeiter, ihre effizientere Arbeit und die n vielen Regionen um ein Drittel gesunkene Bevölkerungszahl an. Aber auch die offene Grenze hat dazu beigetragen. Die Kriminalität findet weiter statt, wird aber weniger bemerkt. Von einer Zunahme an Kriminalität spricht Lange nicht.

Staatsanwalt Helmut LangeDer Organisator des Kamingesprächs, Matthias Stawinoga, greift die aktuelle Statistik zu politisch motivierten Straftaten auf. Nach dem Eindruck von Lange ist die Lage zum Beispiel um die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt eher entspannt. Nur wenn sich rechte und linke Radikale gegenseitig hochschaukeln, gibt es Probleme.

Am Ende der Veranstaltungen zeigt sich nicht nur die Borkheiderin Edda Haage beeindruckt: „Ich habe jetzt eine noch größere Achtung für das, was Sie geschaffen haben.“