Kleine Käfer ganz groß

Der Berliner Käferexperte und Fotograf stellte im Waldparadies Borkheide zum Tag des offenen Ateliers aus.

Zwei große Leidenschaften in Kombination, hohe handwerkliche Kunst, eine über 50 Jahre währende Freundschaft und der Tag des offenen Ateliers mussten zusammenkommen, um eine eindrucksvolle Fotoausstellung nach Borkheide in das Waldparadies in der Nähe des Bahnhofs zu bringen. Der Berliner Ronald Gerhardt hatte einst das Fotohandwerk von der Pike auf gelernt. Schon als 13jähriger besuchte er die Westberliner Insektenbörse. Die Beschäftigung mit den kleinen Tieren hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Jetzt, im Rentenalter, bringt er beides zusammen und fabriziert Käferfotos in bestechender Detailschärfe auf das Großformat A0. Es sind seine eigenen Käfer, die er prachtvoll in Szene setzt. Sie stammen aus Madagaskar, Mexiko. Malaysia, Peru, Brasilien, Zentralafrika, kurz, aus der ganzen Welt.

Artikel in der MAZ
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Klaus Herrmann, der gemeinsam mit seiner Partnerin Marlies Langrock das Waldparadies betreibt, kennt er schon seit Kinderjahren. „Der saß mit 17 praktisch bei mir in der Dunkelkammer. Später ist er Maler geworden, ich Fotograf“, so Gerhardt. „Wir haben uns nie ganz aus den Augen verloren.“

Die Ausstellung findet Zuspruch. Gäste kommen vor allem aus Borkwalde, außerdem aus Borkheide und aus Berlin. Langrock freut sich besonders über Eltern mit Kindern, die gekommen sind. Sie alle erleben nicht nur Käfer, wie sie sie wohl noch nie gesehen haben, sondern erfahren auch manches überraschende Detail über die Insekten. Das Schillern einiger Käfer entsteht z.B. durch die Reflektion sowohl auf dem hochglänzenden Chitinpanzer der Tiere als auch an einer darüberliegenden, hauchdünnen transparenten Schicht.

Waldparadies
Waldparadies

Bernd-Uwe Wienecke aus Borkheide ist überrascht davon, wie abstrakt die Käfer in der Größe wirken: „So sieht man sie sonst nicht.“ Er lässt sich von Gerhardt erklären, wie man solche Fotos überhaupt hinbekommt: „Im Nahbereich gibt es kaum Tiefenschärfe, so dass man nicht mit einem Bild auskommt. Aber mit einer „stacking“ genannten Methode lassen sich schichtweise Fotos der einzelnen Schärfeebenen aufnehmen und anschließend am Computer kombinieren.“ Gerhardt geht dazu in Viertelmillimeter-Schritten vor. Für die Kombination der Fotos am Rechner verlässt er sich auf entsprechende Programme, auf sein handwerkliches Geschick und auf seine ausgeprägte Geduld. Für jedes Endfoto braucht er dreißig bis vierzig Einzelaufnahmen sowie durchschnittlich drei Wochen Bearbeitungszeit. Für die Wiedergabe des Schillern eines Käfers sind sogar mehrere Stacking-Reihen mit unterschiedlichen Ausleuchtungen erforderlich. Am erstaunlichsten ist, dass Gerhardts gesamtes Fotoequipment nicht mehr als eintausend Euro kostet: „Ich möchte den Amateurfotografen ermuntern, sich ebenfalls in den Makrobereich zu wagen.“ Die Verfahren für seine Aufnahmen hat Gerhardt allerdings weitgehend selbst entwickelt.

Ringo Wülzt und Jannis Pieper aus Borkwalde sind wie wohl alle Besucher von der Detailtreue der Fotos fasziniert. Pieper bewundert die „viele Arbeit, die detailreichen Strukturen der Käfer“. Tatsächlich will Gerhardt mit seinen Fotos den Betrachtern auch die Anatomie der Tiere nahebringen. Wülzt überzeugt nicht nur die Ausstellung, sondern das Waldparadies samt Kunstscheune: „Wenn ich kann, dann versuche ich ein wenig zu helfen.“

Klaus Herrmann, Marlies Langrock vom Waldparadies und Ronald Gerhardt
Klaus Herrmann, Marlies Langrock vom Waldparadies und Ronald Gerhardt

Herrmann und Langrock wollten an diesem Tag nicht nur mit einem alten Freund tolle Fotos präsentieren. Für sie ist der Tage der offenen Galerie auch eine Gelegenheit zur Werbung. Sie haben mit der Scheune aus dem Jahr 1938 noch viel vor. Hier soll es künftig nicht nur Kunst geben, sondern auch die Gelegenheit, Kunst zu machen. Beiden schwebt eine Begegnungsstätte im Grünen vor. Tatsächlich wird die liebevoll restaurierte und umgestaltete Scheune bereits für Musikproben, für Seminare und für Hochzeiten genutzt. Demnächst sagen sich hier bereits zum zehnten Mal zwei Menschen „Ja, ich will.“

Artikel in der BRAWO

Aus der Biografie von Ronald Gerhardt

Ronald Gerhardt ist Rentner, Jahrgang 1951, und freischaffender Fotograf. Sein fotografisches Handwerk hat er von 1971 bis 1973 im Lette-Verein in Berlin, einer Stiftung des öffentlichen Rechts für schulische Berufsausbildung, erhalten. Er hat bei Foto-Wegert und später als Industrie-Fotograf gearbeitet. Als er den bedeutenden Kunstsammler Karl H. Bröhan kennenlernt, erkennt der sofort seinen Ordnungssinn und seine außerordentliche Geduld und macht Gerhardt zum Depoverwalter, Konservator. Als Bröhan den Großteil seiner Zusammentragungen anlässlich seines 60. Geburtstages an das Land Berlin gibt, wechselt Gerhardt mit und kommt in den öffentlichen Dienst. Seit Juni 2016 ist er Rentner. Zum Abschied stellt er seine Käferporträts im Bröhan-Museum aus.