„Kirche im Dorf gelassen“

Einhundertfünfzig Menschen drängen sich in der siebzig Sitzplätze umfassenden Kirche von Garrey, einem Ort mit 80 Einwohnern. Einzelne stehen draußen, weil sie drinnen keinen Platz mehr finden. Sie alle wollen dabei sein, wenn die umfassende Sanierung und Restaurierung der Kirche aus dem 14. Jahrhundert gefeiert wird. Das war nicht selbstverständlich. „Wer die Kirche heute sieht, der sagt, sieht doch alles gut aus. Aber der hätte die Kirche einmal vor vier Jahren sehen sollen“, so Pfarrer Daniel Geißler. In seiner Predigt setzt er fort:

„Schaut euch diesen Ort an! Im Amt, in Brandenburg, in ganz Deutschland erzählt man sich von Garrey. Allein schaffen wir nichts, doch wenn sich mehrere zusammentun, schaffen wir viel.“

Ende 2011 stand die malerisch auf dem Dorfanger stehende Kirche vor dem Einsturz. Fünfundvierzig Prozent der Hölzer im Dach waren verloren. Der Turm schien kaum noch zu retten. Der Westgiebel wölbte sich nach außen. Jorinde Bugenhagen von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises fragte sich damals, wie hält sich eigentlich die Empore samt Orgel noch oben. Als Theda von Wedel-Schunk vom Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. wie vielerorts auch in dem Flämingdorf ein Schild „Offene Kirche“ anbringen wollte, muss sie das lassen, weil die Kirche nicht zu betreten war.

Artikel in der BRAWO

Die Rettung der Kirche begann mit einem Gespräch zwischen dem Ortsvorsteher Andreas Grünthal und dem nach der Wende in seinen Heimatort zurückgekommenen Wolfgang Lubitzsch. Der „Freundeskreis der Kirche Garrey“ entstand. Gemeinsam wollte man die Rettung der Kirche wagen. Als erstes konnte mit Unterstützung der Unteren Denkmalschutzbehörde ein Konzept erarbeitet werden. Eine der dabei zu klärenden Fragen war die nach dem Jahr, in das die Kirche zurückversetzt werden sollte. Immerhin gab es in ihrer Geschichte deutliche bauliche Veränderungen. So musste bereits nach einhundert Jahren die Kirche vergrößert werden. Letztlich entschied man sich für das Jahr 1900, in dem die Kirche letztmalig restauriert worden war. Dadurch standen über den damaligen Zustand ausreichend Informationen zur Verfügung. Bereits im September 2015 wurde die Garreyer Kirche von der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa) zur Kirche des Monats gekürt. Der Leitspruch der Stiftung passt gut zum Garreyer Engagement:

„Die Kirchen eines Ortes sind Gottes-Häuser für die Christen, Kultur-Häuser für Touristen und Heimat-Zeichen für die Einwohner.“

Artikel in der MAZ

Zweiundzwanzig bewilligte und weit mehr gestellte Förderanträge sowie 510.000 Euro bis auf den letzten Cent in Hülle, Dach, Turm, Inneneinrichtung und Außenbereich investierte Mittel später erstrahlt die Kirche in neuem Glanz. Architekt Klaus Schmidt verweist dazu u.a. auf ein auffälliges Detail: „Die alten, grauen Betonziegel wurden durch mehrfarbige Dachbiber ersetzt.“ Man hatte alte Kirchenbiber gefunden und die neuen nach diesen modelliert und gebrannt. „Das gibt dem Dach eine ungewohnte Lebhaftigkeit“, so Schmidt.

Von der Sanierung ist auch der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg und SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis 60, Erardo Christoforo Rautenberg, begeistert: „Walter Steinmeier, der sich sehr für die Sanierung eingesetzt hat, wäre selbst gekommen, wenn er nicht Bundespräsident geworden wäre. Als sein Nachfolger als Direktkandidat bin ich gern hier, wo der ganzen Dorfgemeinschaft so etwas gelungen ist.“

Auch Ortsvorsteher Andreas Grünthal betont das Zusammenwirken von Kirchengemeinde und anderen Aktiven im Ort:

„Die Rettung der Kirche war ein gemeinsames Anliegen vieler. Wir mussten etwas tun.“

Als sein Anliegen neben der eigentlichen Rettung der Kirche nennt er, junge Menschen im Ort halten oder gar neu für den Ort gewinnen zu wollen.

Für viele Engagierte ist Garrey zu einem Modell geworden, das über den Ort hinaus strahlt. Motor und guter Geist des ganzen Gelingens war Lubitzsch. Da sind sich alle Gäste der Kircheneröffnung einige. Superintendent Siegfried-Thomas Wisch charakterisiert den Garreyer so:

„Er hat wundervolle Ideen, kann Netzwerke schaffen, ist kommunikativ und lässt nicht locker.“

Pfarrer Geißler greift gar auf DDR-Propaganda zurück:

„Von Lubitzsch lernen, heißt siegen lernen.“

Garrey hat, wie es Amtsdirektor Thomas Hemmerling ausdrückte, „die Kirche im Dorf gelassen.“ Doch noch gibt es einiges zu tun. Der alte Motor der Orgel war zu schwach, weshalb die Orgelbaufirma Schuke aus Potsdam zur Eröffnung einen ausreichend starken Motor einbaute. Der muss jetzt noch bezahlt werden. So wie viele mitgeholfen haben, die Kirche zu erhalten, so soll sie künftig nicht nur für Gottesdienste genutzt werden. Für 2017 sind noch vier Veranstaltungen geplant. Am 11. Juni kommt beispielsweise der Bad Belziger Schauspieler Frank Grünert mit seinem Stück über den „Sagenhaften Luther“ in die Garreyer Kirche. Am 2. Juli liest Pfarrer Geißler bei Wein und Fladenbrot über die Tischreden von Martin Luther.

Kirche Garrey

Interview mit Dr. Wolfgang Lubitzsch

Woher kamen ihr Engagement und ihr Mut, sich an die Sanierung einer einsturzgefährdeten Kirche zu wagen?

Vorab: Es waren viel mehr als nur ich, die für die Sanierung gesorgt haben. Für mich selbst war ein großer Antrieb mein Großvater Franz Benke, dessen Grabstein man noch auf dem Garrey Friedhof neben der Kirche sehen kann. Er hatte sich aus Anlass der Geburt seiner ersten Tochter für die Kirchensanierung im Jahr 1900 stark gemacht. Ein anderes Motiv kommt aus meinem Interesse für die Fotografie. Eines Tages haben meine Frau und ich uns zwei Stunden in die Kirche gesetzt, sie auf uns wirken lassen und viele Details fotografiert. Hinterher wussten wir, mit der Kirche muss sich etwas ändern.

Wie bekommt man ein so komplexes Vorhaben wie die Sanierung einer Kirche hin?

Ich habe als Ingenieur Jahrzehnte lang große Projekte gemanagt. Mir war klar, dass man da keine halben Sachen machen kann, sondern das Vorhaben mit einer elenden Verbissenheit zu Ende führen muss.

Wie gelingt es, ein ganzes Dorf zum Mitmachen zu bringen?

Der springende Punkt war eine strategische Überlegung im Ort: Was müssen wir tun, damit in zwanzig Jahren mindestens noch genauso viele Einwohner in Garrey leben? Die Kirche war dabei für uns die zentrale Maßnahme. Acht bis zehn von uns haben das Projekt stetig vorangetrieben, viele andere haben immer mal wieder zugegriffen.

Kirche gerettet, und jetzt?

Tatsächlich bin ich etwas erschöpft und möchte eine Weile nichts machen. Auf mich wartet außerdem ein großer Vier-Seiten-Hof, der Pflege braucht.