Nachgefragt: Sven Gatter – Sozialarbeiter am Gymnasium Treuenbrietzen
Sven Gatter ist seit Juli 2016 mit 20 Stunden beim Diakonischen Werk im Landkreis Potsdam-Mittelmark e.V. angestellt und als Schulsozialarbeiter am Gymnasium „Am Burgwall“ in Treuenbrietzen tätig (MAZ berichtete)
Gab es einen besonderen Bedarf für Ihre Einstellung?
Diana Bölke, die die Arbeit bisher sowohl an der Grundschule als auch am Gymnasium erledigt hatte, kann sich nun voll auf die Arbeit an der Grundschule konzentrieren. Einen eigenen Sozialarbeiter für das Gymnasium einzustellen ist nicht überall üblich. Ich halte das jedoch für einen mutigen und fortschrittlichen Ansatz.
Warum?
Beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule brauchen viele Schüler ein sozialpädagogisches Angebot. Da bilden Gymnasiasten keine Ausnahme. Nicht zufällig bitten mich gerade die Lehrerinnen in den 7. Klassen sehr häufig um Unterstützung. Ich organisiere zum Beispiel Teamtrainings für die gesamte Klasse. Mit Kooperationsübungen lernen die jungen Menschen, sich gegenseitig zu unterstützen und mit dem neuen Umfeld und den neuen Anforderungen klarzukommen. Einzelnen Schülern biete ich zusätzlich Beratungsgespräche an. Da erarbeite ich mit ihnen dann beispielsweise ganz konkrete Umgangsregeln.
Wie kann man sich das praktisch vorstellen?
Nur ein Beispiel: Mehrere Jugendliche bekommen die Aufgabe, alle auf einem kleinen Stück Papier Platz zu finden. Da sind Kreativität und gegenseitige Hilfe erforderlich. Mit einer solchen Übung wird der Zusammenhalt in der Klasse gestärkt.
Welche Probleme gibt es insbesondere?
Ich möchte hier natürlich nicht über konkrete Fälle sprechen, denn das würde nicht nur meine Schweigepflicht verletzen, sondern auch meine Vertrauensbasis zu den Schülern untergraben. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es am Gymnasium das ganze Spektrum an Problemen gibt, wie wir es auch in anderen Schulformen finden. Das sind zwischenmenschliche Konflikte und Mobbing, das sind familiäre Probleme, das sind psychische Probleme. Diese Probleme drücken sich dann nicht nur in einer verminderten schulischen Leistungsfähigkeit oder in Rückzug oder aber in Aggressivität gegenüber Mitschülern und Lehrern aus, sondern manchmal auch in selbstverletzendem Verhalten. Das kann in schwierigen Ausnahmefällen bis hin zum Aufritzen der Haut an Armen und Beinen gehen. Ich will aber betonen, dass diese Probleme an unserer Schule selten zu finden sind.
Das Gymnasium versteht sich als „Schule ohne Rassismus“.
Es ist wohl niemand frei von Vorurteilen gegenüber anderen Menschen und leider auch nicht gänzlich frei von rassistischen Stereotypen. Aber an unserer Schule wird viel dafür getan, dass das offensiv angegangen wird. Der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist dabei ein wichtiger Baustein, auch eine Selbstverpflichtung.
Was kann ein Sozialarbeiter tatsächlich bewirken?
Meine Aufgabe ist es, gegebenenfalls das Umfeld der Schüler zu sensibilisieren und ein Hilfesystem, z.B. über die Familienhilfe zu mobilisieren. Aber ich bin nicht nur für die Schüler mit besonderen Problemen da. Mir geht es für alle Schüler darum, dass sie ihre Leistungsfähigkeit optimal abrufen können und ein gutes Lernumfeld erhalten, in dem sie ihre jeweilige Persönlichkeit entfalten können. Dafür unterstütze ich etwa auch selbstverwaltete Projekte wie den Schülerclub, der gerade umzieht.
Welche besonderen Projekte konnten Sie bisher umsetzen?
Da ist vor allem Radio Courage zu nennen. In sieben mit Fotos unterlegten Tonaufnahmen haben acht Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 ihre Lehrer, den Schulleiter und den Bürgermeister nach Beispielen couragierten Handelns befragt. Das Ergebnis kann man sich auf YouTube sowie auf der Webseite und der Facebookseite der Schule ansehen. Zum Ende des Schuljahres wollen wir das Projekt mit der Befragung von Mitschülern fortsetzen. Zur Bundestagswahl werden wir uns mit den jugendpolitischen Ideen der Parteien befassen. Die Jugendlichen sollen dazu eigene Forderungen formulieren. Beides packen wir dann auf schicke Plakate, die wir rund um die Schule aufhängen, da, wo auch die Parteien gern plakatieren.
Sehen Sie sich als Einzelkämpfer?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin in ein gut funktionierendes Team von Schulsozialarbeitern des Diakonischen Werks im Landkreis Potsdam-Mittelmark e.V. eingebunden und in das Fachkräfteteam der Sozialen Arbeit hier in Treuenbrietzen. Da stimmen wir uns zum Beispiel über gemeinsame Projektideen ab, etwa über den Vortragsabend „Das Lernen lernen“ oder über die bereits erwähnte Plakataktion zur Bundestagswahl, die auch an der Treuenbrietzener Grundschule stattfinden wird. In regelmäßigen Supervisionen, die von unserem Arbeitgeber ermöglicht werden, besprechen wir zudem ganz konkrete Fälle aus unserer täglichen Beratungsarbeit in anonymisierter Form, um uns gegenseitig bei der Suche nach guten Problemlösungen zu unterstützen. Und Ende Mai werde ich bei meinen Kollegen in Brück hospitieren. Mein Arbeitsalltag ist sehr von Teamarbeit geprägt.
Anwesenheitszeiten:
Di bis Do von 9 – 16 Uhr
Sprechzeiten: Mi 12:30 bis 13:05 Uhr, Do 14:00 bis 16:00 Uhr
Diakonisches Werk im Landkreis Postdam-Mittelmark e.V.
Das Diakonische Werk im Landkreis Potsdam-Mittelmark e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und seit 1993 anerkannter freier Träger der Jugendhilfe im Landkreis. Präventive Jugendarbeit über Familienzentren, Jugendtreffs und Schulsozialarbeit ist das Kerngeschäft. Stets in Kooperation mit den regionalen Akteuren ist das Diakonische Werk im gesamten Gebiet des Landkreises Potsdam-Mittelmark vertreten. Derzeit arbeiten die SchulsozialarbeiterInnen des Diakonischen Werkes PM e.V. an insgesamt 13 Schulen im Landkreis Potsdam-Mittelmark.