Gypsy met Klassik. Zauche traf Weltklasse
„Du spielst Klassik, und ich wurstele mich da durch.“
So viel Untertreibung war selten. Tatsächlich spielen der Gypsy-Musiker Lulo Reinhardt und die klassische Gitarristin Yuliya Lonskaya am Sonnabend beim „Besonderen Abend“ unter dem Motto „Gypsy meets Klassik“ auf höchstem Nievau zusammen. Jan Reisgies, der selbst Gitarre spielt und extra aus Potsdam zum „Besonderen Abend“ angereist ist, drückt es so aus:
„Yuliya Lonskaya spielt angesichts ihrer klassischen Ausbildung sehr gefühlvoll. Bei Lulo Reinhardt merkt man die große Erfahrung und die Geschichten im Hintergrund. Er beherrscht ein breites Spektrum an Musik.“
Beide Gitarristen führen über ihre Instrumente ein Gespräch miteinander und schaffen einen ganz eigenen Zauber.
Die Musiker, denen man die Freude am Spielen anmerkt, nehmen ihre Zuhörer mit ihrer Musik und ihren Geschichten einmal mit rund um die Welt, von Koblenz nach Marokko und Spanien, von dort nach Kuba und weiter nach Argentinien und Brasilien, nach Australien, Indien, Ägypten und Weißrussland. Bei der Musik aus Reinhardts Marokkofilm „Desert Inspiration“ spürt man den heißen Sand der marokkanischen Wüste. Ein Samba-Stück erzeugt die Melancholie einer einsamen Hotelbar. Die Tangostücke, Kompositionen von Reinhardt und von Astor Piazzolla, dem Erfinder des Tango Nuevo, vermitteln die ganze Leidenschaft dieser Musik. „Wenn sie tanzen wollen, hier ist noch Platz“, lädt Reinhardt ein. Mit einem Blues, es ist Reinhardts erster, erinnert er an ein beinahe zustande gekommenes gemeinsames Konzert mit der Blues-Legende B. B. King. Kuba kommt gleich mehrfach vor: „Sie müssen es besuchen, bevor der erste McDonalds aufmacht.“ Gänsehaut gibt es, als der Sinto Reinhardt vom Schicksal seiner Familie im Konzentrationslager Dachau erzählt und sein einziges Stück der „Memories of Dachau“ in Dur spielt. In Dur, weil er froh ist, dass sein Vater überlebt hat.
Für Lonskaya war es ein Traum, einmal mit Reinhardt zu spielen. Sie hatte zuvor schon weltweit mit vielen Musikern und Orchestern gespielt. „Aber das waren alles klassische Musiker. Ich wollte einmal etwas absolut anderes machen.“ Tatsächlich spielt sie nicht nur hervorragend, sondern begeistert auch als Sängerin, zum Beispiel mit einem poetischen Liebeslied aus ihrer weißrussischen Heimat.
Auch nach über zweieinhalb Stunden Konzert fordern die Besucher, die unter anderem aus Borkheide, Borkwalde, Beelitz und Brück kommen, eine Zugabe. Rainer Marschel aus Brück drückt aus, was wohl alle an diesem Abend empfinden:
„Dass es immer wieder gelingt, solche Musiker nach Borkheide zu bekommen – einfach sensationell.“
Edda Haage schafft das seit 19 Jahren. Publikum und Musiker danken es der Organisatorin. Reinhardt, der bereits zum zweiten Mal in der Waldgemeinde aufspielt, zeigt sich vom Borkheider Publikum mehr als angetan und versprach mit seiner Partnerin:
„Wir kommen wieder!“